EU-Skeptiker machen das Rennen – Erfolgschancen der Rechtsparteien in Europa

Für die anstehenden Europawahlen rechnen viele mit einem Zuwachs für das Lager derjenigen Rechtsparteien, die der Europäischen Union (EU) kritisch bis völlig ablehnend gegenüber stehen. Deren Einfluss im Europa-Parlament könnte gering bleiben, in manchen Ländern jedoch bedeutend steigen. Und wie sieht es mit den Chancen der neuen deutschen EU-skeptischen Alternative für Deutschland (AfD) aus?

 
monitor – Rundbrief des apabiz #63

Obwohl eine verlässliche Vorhersage zum Ausgang der Europawahl, die am letzten Mai-Wochenende stattfinden wird, nicht zu bekommen ist, gehen viele politische Kommentare davon aus, dass sich der Anteil der extrem rechten Parteien auf bis zu einem Viertel der Gesamtsitze erhöhen könnte. Jedoch bleiben alle Vorhersagen politische Kaffeesatzleserei, denn es lassen sich ehrlicher Weise nur die jeweils nationalen Zugewinne der Euro-Gegner abschätzen. Das Rennen können Ende Mai je nach nationaler Situation die etwas weicheren rechtspopulistischen Parteien aber auch rabiatere nationalistische Formationen machen. Schwieriger vorherzusagen ist, ob dies auch einen Zuwachs an Einfluss bedeutet.

Bisher liefert das extrem rechte Spektrum ein Bild der Zersplitterung, das selbst bei intensivem Studium der Parteien, Personen und verteilten Pöstchen kaum nachvollziehbar ist (siehe Kurzporträts unten). Ihre Nationalismen trieben in der Vergangenheit die Parteien wieder auseinander, die einen waren den anderen mal zu antisemitisch oder zu »rechtsextrem« und selbst bizarr anmutende grenzrevisionistische Streits – so um die Zugehörigkeit Süd-Tirols – erschütterten die wackeligen Bündnisse. Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank gibt daher auch schnelle Entwarnung: Selbst wenn das EU-skeptische Spektrum in der Lage wäre eine Fraktion am gemäßigten Rand zu bilden, »würde diese Fraktion noch unter internen Flügelkämpfen und Streitigkeiten leiden«.[1]

Der Blick auf die heutige politische Landkarte Europas macht schnell deutlich, dass einige politische Entwicklungen einen Erfolg rechter Parteien bei den kommenden Wahlen begünstigen. Und selbst wenn damit kein gestiegener Einfluss in Brüssel verbunden wäre: das politische Klima könnte sich in manchem Land weiter verschärfen.

Verschwörungen sind populär

Im Kern forcieren die EU-skeptischen Rechtsparteien in ihren Ländern das weit verbreitete und weitgehend verständliche Misstrauen in die europäischen Institutionen und präsentieren die »Rückeroberung nationaler Souveränität« als den Schlüssel, um die ökonomischen Probleme zu lösen. Eine aktuelle Studie[2] weist darauf hin, dass in vielen Ländern das Phänomen der Verschwörungsthesen zur Erklärung politischer Krisen sehr weit verbreitet ist. Der Rechtspopulismus beispielsweise in Frankreich und Ungarn, so die Studie, verbinde sich sehr stark mit diesen Einstellungen. Der französische Politikwissenschaftler Jean-Yves Camus sprach vor dem Hintergrund aktueller politischer Proteste gar von einer »breiten Bewegung [in Frankreich, d.V.], die anti-systemisch ausgerichtet und Verschwörungstheorien zugeneigt ist, deren Rückgrat aber Antisemitismus ist«.

Die Verbindung von Rechtspopulismus mit Verschwörungsideologien überrascht kaum, denn das Gerücht über die unbeweisbaren Intrigen finsterer Kräfte bedient die politische Agenda der Rechtsaußen-Parteien in mehrfacher Hinsicht. Der Rechtspopulismus setzt beispielsweise an dem tatsächlichen oder gefühlten Gegensatz zwischen dem »einfachen Volk« und »denen da oben« an. Der politischen Klasse, korrupt und elitär, wird die Lösung politischer Probleme nicht zugetraut. Verschwörungsideologien verstärken diesen Gegensatz, denn sie weisen jede Schuld der verschwörerischen Elite zu und das »einfache Volk« kann sich seiner Unschuld versichern und als moralisch integer empfinden. So reichen sich der Glaube an die Verschwörung überstaatlicher Mächte gegen das »eigene Volk« und das Misstrauen in die politischen Institutionen die Hände. Ein Phänomen, von dem auch die neue deutsche »euroskeptische« Kraft, die Alternative für Deutschland (AfD), nicht ganz frei geblieben ist.

Erfolgschancen der AfD

In Deutschland wird bisher gerne die Frage gewälzt, ob es denn Nazis bei dieser AfD gibt. Aber auf gar keinen Fall, sagt Hans-Olaf Henkel. Er sei bei zahllosen AfD-Veranstaltungen gewesen, und er habe dort »niemals verrückte Neonazis oder sonst was gesehen«, berichtet der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Henkel muss es wissen. Er gehört seit drei Jahren zu den bekanntesten Gegnerinnen und Gegnern des Euro, er bewegte sich schon lange vor der Gründung der AfD in ihren Kreisen, und er bestätigt der FAZ: »Die Mitglieder« der Partei »kommen aus der Mitte der Gesellschaft«.

Die aktuellen Binnenverhältnisse in der AfD hat kürzlich deren stellvertretender Sprecher Alexander Gauland prägnant beschrieben. »Da sind auf der einen Seite jene volkswirtschaftlich gebildeten Wirtschaftsliberalen, denen die Einheitswährung« – der Euro – »gegen den Geist marktwirtschaftlicher Prinzipien geht«, erläuterte er am 24. Januar in der FAZ.[3] Gemeint sind Personen wie Parteichef Bernd Lucke und andere neoliberale Ökonomen, die die Euro-Rettungsmaßnahmen für halsbrecherisches Stückwerk und zudem den Euro für überflüssig halten – jedenfalls für ein reiches, mächtiges Land wie Deutschland. »Für die Gegner von Euro und Brüsseler Eurokratie ist die AfD ein liberales Projekt, ein Projekt, das die FDP hätte umsetzen müssen«, fuhr Gauland fort. Die FDP hat dies bekanntlich trotz einigen Gestänkers aus dem Parteiflügel um den Euro-Gegner Frank Schäffler unterlassen, und deshalb haben Lucke & Co. Nach einigen organisatorischen Zwischenschritten Anfang 2013 die AfD gegründet.

Professorale Phrasen

Gauland hat auch das Kernproblem der Riege von ökonomischen Expert_innen, auf die die AfD-Gründung letztlich zurückgeht, präzise dargestellt. Es gebe »wahrscheinlich nicht genügend Wähler…, die das Professorenthema vom falschen Euro allein an die Wahlurnen treibt«, führte er in der FAZ aus. Dasselbe Problem hatten einige, die heute als Funktionäre oder Unterstützer für die AfD tätig sind – Joachim Starbatty etwa oder Karl-Albrecht Schachtschneider –, schon in den 1990er Jahren. Damals bekämpften sie gemeinsam mit dem Ex-FDP-Politiker Manfred Brunner und dem Bund Freier Bürger den im Entstehen begriffenen Euro. Sie wandten ein Rezept an, auf das nun auch die AfD zurückgreifen muss, seit sich gezeigt hat, dass es ihr nicht gelingt, nennenswerte Teile aus dem Establishment der großen Parteien herauszubrechen. Gauland beschreibt es höflich: »Man muss, um erfolgreich zu sein, all jene mitnehmen, die die AfD nur deshalb wollen und wählen, weil sie anders ist, populistisch dem Volk aufs Maul schauend, und weil sie das politikfähig formuliert, was in Wohnzimmern und an Stammtischen gedacht und beklagt wird.« Es geht um rechte Phrasen.

Der Bund Freier Bürger hatte schnell den Ruf weg, Ultrarechten als Plattform zu dienen; er scheiterte daran. Die AfD-Führungsriege hat daraus gelernt und unternimmt alles, um dasselbe Schicksal zu vermeiden. Das hatte der Schatzmeister der hessischen AfD, Peter Ziemann, offenbar vergessen, und forderte doch glatt öffentlich, man müsse »die satanischen Elemente der Finanzoligopole von den westlichen Völkern wieder abschütteln, die wie die Zecken das Blut der Völker aussaugen«. Raus! Lucke kennt kein Pardon. Die AfD verwendet doch lieber geschicktere Phrasen: »Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt unterbunden werden«, hieß es in ihrem Wahlprogramm. Das ist formal nicht so leicht angreifbar, wird aber – mit einem kleinen Augenzwinkern verbunden – in Wohnzimmern und an Stammtischen gewiss richtig verstanden.

Luckes Kampf gegen Ziemann und Co. in der AfD dauert an; eine Prognose, wer ihn gewinnt, wäre riskant. Derweil bemühen sich weitere AfD-Führungsfiguren, die selbst weit rechts stehen, bislang aber immer »politikfähig« formulieren konnten, über die Rechtsaußen-Zeitung Junge Freiheit Wählerinnen und Wähler zu binden. AfD-Sprecher Konrad Adam ist einer von ihnen, der stellvertretende AfD-Sprecher Alexander Gauland, der vom rechten Flügel der Hessen-CDU kommt und zuletzt die »Märkische Allgemeine Zeitung« herausgab, ein zweiter. Die »Mitte der Gesellschaft«, die sich, wie Hans-Olaf Henkel ja festgestellt hat, in der AfD wiederfindet, öffnet sich gegenwärtig eben auf mehreren Ebenen nach rechts: an den Stammtischen ohnehin, aber auch in Managerbüros und Schreibstuben. Gelingt es der AfD, die Stammtische halbwegs ruhig und die Klientel anderweitig, über die Junge Freiheit etwa, bei Laune zu halten, dann hat sie beste Chancen auf einen Erfolg bei der Europawahl

Die EU-skeptischen Kräfte sind im Aufwind, ihr Einfluss in den europäischen Institutionen wird wahrscheinlich weiter marginal bleiben. Sie können, und dafür ist auch die AfD ein Beispiel, durch ihre Erfolge die nationalen Regierungen unter starken Druck setzen, sich ebenfalls EU-skeptischer zu verhalten. So hechelt der Diskurs des politischen Mainstreams den Rechtspopulist_innen hinterher um einige Stimmen mehr zu erhalten.

Dieser Artikel erschien zuerst in monitor – Rundbrief des apabiz #63 von Februar 2014.

 

Die extreme Rechte im Europa-Parlament

Europäische Allianz für Freiheit/European Alliance for Freedom (EAF): Die EAF ist eine Ende 2010 gegründete politische Plattform und europäische Partei. Sie umfasst derzeit Mitglieder aus sechs Ländern, darunter der Front National, die FPÖ, Schwedendemokraten und Vlaams Belang . Es wird erwartet, dass sich auch die Partei für die Freiheit des Niederländers Geert Wilders und die Lega Nord (Italien) anschließen.

Bündnis der Europäischen Nationalen Bewegungen/Alliance of European National Movements (AENM): Die AENM gründete sich Ende 2009 während eines Parteitages der ungarischen Jobbik in Budapest und wird von Bruno Gollnisch (FN) und Nick Griffin (BNP) angeführt. Sie vereint extrem rechte bis offen neofaschistische Rechtsparteien Europas, neben Jobbik, BNP und Teilen des Front National Mitglieder von Ataka (Bulgarien) und Vlaams Belang (Belgien), die nicht im EP vertretenen Fiamme Tricolore (Italien), das Movimiento Social Republicano (Spanien) und andere.

Europa der Freiheit und der Demokratie/Europe of Freedom and Democracy (EFD):
Von der britischen UKIP und der Lega Nord geführte Fraktion im EP mit 32 Mitgliedern aus 12 Ländern(4), darunter auch die griechische LAOS, die Danske Folkeparti, die Perussuomalaiset (Die Finnen, früher Wahre Finnen), die Slowakische Nationalpartei und weitere.

Folgende Parteien gehören dem gemäßigten extrem rechten bis offen neofaschistischen Spektrum an und haben begründete Aussicht auf die Entsendung von Parlamentarier_innen nach Brüssel:

  • Belgien: Vlaams Belang
  • Bulgarien: Ataka
  • Dänemark: Dansk Folkeparti
  • Deutschland: Alternative für Deutschland
  • Finnland: Die Finnen
  • Frankreich: Front National
  • Griechenland: Chrysi Avgi
  • Großbritannien: United Kingdom Independence Party
  • Italien: Lega Nord
  • Österreich: Freiheitliche Partei Österreichs, Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), REKOS – Die Reformkonservativen – Liste Ewald Stadler
  • Schweden: Schwedendemokraten
  • Slowakei: Slowakische Nationalpartei
  • Ungarn: Jobbik

Ergänzender Nachtrag: Anlässlich der Zustimmung von 50,3% der wahlberechtigten Schweizer_innen für die »Volksinitiative gegen Masseneinwanderung« der nationalistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) am 9. Februar 2014 lobt Bernd Lucke (AfD) Volksabstimmungen, die »zeigen, wo dem Volk der Schuh drückt« und fordert auch für Deutschland die Schaffung eines Zuwanderungsrechtes, das »eine Einwanderung in unsere Sozialsysteme wirksam« unterbinde.

Vgl. http://www.presseportal.de/pm/110332/2660106/lucke-zuwanderungsrecht-nach-qualifikation-der-sprecher-der-alternative-fuer-deutschland-bernd

 

  1.  Vgl. Heinen, Nicolaus/Hartleb, Florian: EU-Skeptiker im Aufwind? Wirtschaftspolitische Implikationen der Europawahl. 31. Januar 2014. Im Internet unter www.dbresearch.de
  2.  Vgl. http://www.opendemocracy.net/can-europe-make-it/marley-morris-p%C3%A9ter-krek%C3%B3/conspiratorial-mindset-in-europe
  3.  Vgl. A. Gauland: Die AfD in der Krise. In: FAZ v. 24. Januar 2014.
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