Mit reaktionärer und asylfeindlicher Politik in den Wahlkampf – AfD-Leitantrag geleakt

Mit der Wahl von Beatrix von Storch und Georg Pazderski zur neuen Doppelspitze hat der Berliner Landesverband der AfD am 16. Januar personell einen deutlichen Schritt nach rechts gemacht. Beim Landesparteitag am kommenden Sonntag, den 13. März, soll nun das Wahlprogramm zur Berliner Abgeordnetenhauswahl verabschiedet werden. Bereits im Vorfeld ist der entsprechende Leitantrag an die Öffentlichkeit gelangt und kann hier eingesehen werden.

 
AfD-Herbstoffensive in Berlin © apabiz

Der Leitantrag dient als verhandelbare Grundlage für das daraus hervorgehende Wahlprogramm, über das auf dem Parteitag abgestimmt wird. Im Folgenden werden daraus einzelne Aspekte zur Familien-, Asyl- und sogenannten Sicherheitspolitik herausgegriffen, denn voraussichtlich wird die AfD mit diesen Themen schwerpunktmäßig ihren Wahlkampf gestalten.

Reaktionäre Geschlechterbilder

An prominentester Stelle steht im vorliegenden Leitantrag die Familienpolitik. Auf Grundlage eines klassischen heteronormativen Geschlechterbildes werden hier Ehe und Familie als „Keimzelle unserer Gesellschaft“ propagiert. Davon ausgehend wird offensiv Stellung bezogen gegen die „Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe“, das nicht einmal ansatzweise verstandene Konzept des Gender-Mainstreaming sowie eine vermeintliche „Frühsexualisierung“ durch „Lobbygruppen sexueller Minderheiten“. Überraschend ist die zurückhaltende Wortwahl zu Schwangerschaft und Abtreibung. Schließlich sind dies doch die Kernthemen von Beatrix von Storch, einer christlich-fundamentalistischen Netzwerkerin, antifeministischen „Lebensschützerin“ und klaren Abtreibungsgegnerin. Im Leitantrag steht jedoch lediglich, dass „Schwangerschaftsberatung […] auf Schutz des ungeborenen Lebens abzielen“ müsse und dabei die „Einhaltung der geltenden Rechtslage“ dringliches Anliegen sei. Darüber hinaus spricht sich die Partei für das angeblich „vorbildliche deutsche Sonderschulsystem“ aus und erteilt der Inklusion von „schwer lernbehinderten Kindern mit nicht lernbehinderten Kindern“ eine klare Absage.

Restriktiv gegen Einwanderung

Bezogen auf die Asyl- und Flüchtlingspolitik zeigt die Berliner AfD die mittlerweile parteiübliche klare Kante. Zwar wird im Leitantrag betont, das grundgesetzlich verbriefte Asylrecht würde anerkannt. Ob sich dies aber auch noch so im Wahlprogramm wiederfinden wird, ist fraglich. Schließlich ist dies eines der größten parteiinternen Streitthemen und wird gerade von Teilen der Bundesführungsriege in Frage gestellt oder gar kategorisch abgelehnt. Die Formulierungen im Leitantrag zeigen ohnehin, dass es sich nur um ein Lippenbekenntnis handelt. So findet sich darin die unmissverständliche Forderung nach einem „sofortigen Aufnahmestopp“. Asylgesuche sollen demnach nur noch in Lagern außerhalb von Europa ermöglicht werden – eine Forderung, die bereits vor Monaten auch schon Bundesinnenminister Thomas de Maizière in die Debatte eingebracht hatte. Weiterhin wird im Leitantrag explizit betont, dass die Partei mehrere Schritte „zurück zum Asylkompromiss von 1993“ vornehmen will, was faktisch die Abschaffung der im Schengener-Abkommen festgelegten europäischen Freizügigkeit bedeuten würde. Vor allem bezogen auf die Unterbringung von Geflüchteten werden die restriktiven asylpolitischen Abschottungsziele der AfD offensichtlich. Würden alle Forderungen realisiert, wäre keinerlei Unterbringung von Asylsuchenden mehr möglich. So spricht sich die Partei gegen die „Zweckentfremdung von Turnhallen“ sowie gegen die „Beschlagnahmung leerstehenden Wohnraumes“ aus. Zudem sollen in „Wohngebieten […] aus Sicherheitsgründen keine Massenunterkünfte eingerichtet“ und bereits bestehende geräumt werden. Zu guter Letzt wird eine „Großsiedlung auf dem Tempelhofer Feld“ ebenso abgelehnt wie die „Anmietung von Mittelklassehotels“.

Im Weiteren beklagt die AfD eine angeblich massenhafte „Armutszuwanderung“, die sich durch eine „gezielte Einwanderung in die Sozialsysteme“ auszeichne. Sie bemüht damit eine Formulierung, wie sie schon lange von der NPD bekannt ist. Integration bezeichnet die AfD nicht nur als zwingende Notwendigkeit sondern vor allem als alleinige „Bringschuld des Zuwanderers“. Dabei sei auch die schon so oft bemühte „deutsche Leitkultur“ zu achten – ohne dass jedoch genauer ausgeführt wird, was darunter zu verstehen sein soll. Die Verweigerung der Integration solle „bis hin zum Verlust des Aufenthaltsrechts sanktioniert werden“. Die doppelte Staatsangehörigkeit wird kategorisch abgelehnt.

Während Asylsuchende gegängelt und abgeschoben werden sollen, wirbt nach der NPD nun auch die AfD in diesem Leitantrag um die Stimmen der sogenannten Russlanddeutschen. Deren „Absicherung des langfristigen Integrationserfolgs [sollen] in vollem Umfang aufrechterhalten bleiben und nicht zugunsten von Integrationsmaßnahmen für Asylbewerber umgewidmet“ werden.

Mit Law-And-Order gegen „Ausländerkriminalität“

Auch in den Zielsetzungen zur Inneren Sicherheit und insbesondere zur Kriminalitätsbekämpfung zeigt sich im Leitantrag deutlich der verstärkte Wille zur Law-And-Order-Politik sowie eine Klarstellung, wer für die AfD die hauptsächlichen Sündenböcke sind. So sollen in den Kriminalitätsstatistiken „Staatsangehörigkeit und […] Migrationshintergrund bei Straftätern“ benannt werden. Außerdem sollten „Ausweisungsbestimmungen für ausländische Straftäter“ verschärft und die „Einbürgerung von Straftätern“ erschwert werden. Bezogen auf die Organisierte Kriminalität werden rassistische Stereotype bemüht und „Arabische Familien-Clans, Rockerbanden und andere Gruppierungen mit mafiösen Strukturen“ genannt. Zudem sollen „Kriminelle Familienclans [als] kriminelle Vereinigungen eingestuft werden“.

Weitere Zielgruppen der schonungslosen Law-And-Order-Politik sind die vermeintlichen „Linksextremen“ sowie jugendliche Straftäter, denen mit einer „Null-Toleranz-Politik“ zu begegnen sei. In diesem Zuge fordert die AfD unvermeidlich auch die Wiedereinführung der Extremismusklausel.

Zwar distanziert sich die AfD alibimäßig vom „Rechtsextremismus“. Es überrascht jedoch wenig, dass nicht weiter darauf eingegangen wird und die massiv angestiegenen rassistischen Gewalttaten und Brandanschläge auf Asylnotunterkünfte mit keiner Silbe erwähnt werden.

Es bleibt der Parteitag abzuwarten

Insgesamt beinhaltet der Leitantrag inhaltlich wenige Überraschungen. Auffallend ist, dass der Berlin-Bezug trotz des Umfangs von knapp 30 Seiten relativ gering ausfällt. Die Berliner AfD positioniert sich vielmehr zu Themen, die auf landespolitischer Ebene insofern keinerlei Relevanz haben, da sie auf Bundesebene geregelt werden – wie beispielsweise die Asyl- aber auch die Familienpolitik. Dabei ist der Rechtstrend mit Schwerpunktsetzung auf ein offensiv asylfeindliches, reaktionäres und auf die Verschärfung des Rechtsstaats setzendes Programm erkennbar. Dennoch überrascht eine an vielen Stellen gemäßigte Wortwahl. Verschiedene Programmpunkte machen deutlich, dass die AfD zunächst die klassische mittelständische rechtskonservative Unions-Klientel bedient, auch wenn der Leitantrag nach rechtsaußen offen bleibt. Ob sich diese Taktik nach Sonntag tatsächlich auch so im Wahlprogramm wiederfinden wird, bleibt abzuwarten. Denn schließlich schlägt die AfD in anderen Bundesländern wie zuletzt in Sachsen-Anhalt und auf Bundesebene ganz andere Töne an – mit zunehmendem Erfolg. Aber es handelt sich bei dem vorliegenden Dokument ja auch erst um den Leitantrag. Über das tatsächliche Wahlprogramm wird erst der kommende Parteitag entscheiden.

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